Juni 2022. Zum ersten Mal seit Beginn der Pandemie trifft sich die digitale Lern-Welt erstmals wieder live. Schade oder schön: Als Besucher wird nach wie vor von echten Menschen angesprochen und noch nicht von Avataren.

Digitale Bildungsangebote haben Konjunktur, weil Organisationen händeringend nach Lösungen suchen, die Kompetenz ihrer Belegschaft zu verbessern. Die Lösungen reichen weiter als früher, denn sie entstehen zunehmend im Verbund mehrerer Firmen. Und sie decken nahezu alles ab, was sich an Inhalten, Methoden und Prozessen virtuell abbilden lässt. Hier einige Streiflichter.

Man muss oft zweimal hinschauen, um die Unterschiede zu erkennen. Das Feld der neuen digitalen Berufe reicht von E-Learnig Architect, Edutainment Coach und Transfer Designer über Data Literacy Manager, AI-Creator, LX-Designer oder Learn-Lab-Instructor bis hin zum Digital Zen Master.

Letztere Rolle habe ich dazu erfunden. Sie scheint mir im digitalen Wirrwarr dringend nötig. Vielleicht sollte auch unsereins die eigene Berufsbezeichnung verfeinern: Statt einfach Trainer, Berater und Coach sollte ich mich künftig auf der Visitenkarte bezeichnen als: Hybrid Learning Designer oder Cross Agile Training Manager, abgekürzt mit CATM.

Mittlerweile sind User experience und Virtual Reality so ausgereift, dass man Besucher am Stand schnell davon überzeugen kann, dass Lernen auf diesem Weg attraktiv, nötig und unverzichtbar geworden ist. Zwar kostet es (mich) etwas Überwindung, mir eine Simulation oder LMS-Demo an einem Rechner für ein neutralisiertes Unternehmensbeispiel anzuschauen. Doch die bewegten Bilder überzeugen. Es lassen sich nahezu alle Arbeitsgänge und naturwissenschaftliche Prozesse perfekt simulieren und im praktischen Vollzug erlernen.

Dies ist auch bitter nötig – angesichts von Personalengpässen einerseits und rasanter technologischer Veränderungen andererseits. Hierfür braucht es automatisierte, skalierbare und vor allem schnell wirksame wie messbare Lernformate. Sei es für das Up-Skilling oder das Erwerben von Future Skills – verfügbar sowohl im Home Office als auch am Arbeitsort.

Eine Prognose: Jeder Lerner wird in wenigen Jahren standardmäßig ausgestattet sein mit einer VR- Brille, auf die jederzeit aktuelle Programme eingespielt werden können – mit echtem Tutor on demand. Dies just-in Time und via cloud-solution. Die Vision des cyber-aktiven Mitarbeiters gemäß Industrie 4.0 rückt näher.

Mein diesjähriger Favorit bei der Learntec ist die digitale Umsetzung adaptiven Lernens von Area9. https://area9lyceum.de/

Zu Beginn des Programms schätzt der Lerner  seinem Bedarf und Können ein. Analog zum Fahrzeug, dessen Geschwindigkeit sich jeweils automatisch der Verkehrsdichte anpasst, reagiert das Programm entsprechend.

Danach erhält er nur dasjenige Wissen, das er wirklich braucht, und muss nicht viele Seiten  gelangweilt durchklicken. Umgekehrt wird ihm nahegelegt, auch solche Aspekte des Lernthemas zu bearbeiten, von denen er bislang fälschlicherweise glaubt, bereits alles zu wissen.

Wie lautet beispielsweise die Formel für eine gleichmäßig beschleunigte Geschwindigkeit? Bevor Sie nachdenken bzw. ein Lerner antwortet, gibt er jeweils ein: Ich weiß es sicher; ich nehme an; ich bin mir unsicher; ich weiß es nicht.

Wie sicher sind Sie sich? Bevor Sie nachschauen, hier die Auflösung:
s = v x T + S zum Zeitpunkt 0
(
https://studyflix.de/ingenieurwissenschaften/geschwindigkeit-berechnen-1353)

Je nach Antwort und Ergebnis der Eingabe via Tastatur gestaltet sich seine weitere Lernreise, die man mit einer Quiz-Challenge verbinden kann:

  • Wenn du richtig liegst und dir sicher bist, bekommst du 3 Punkte.
  • Bei Fehler, also einer übertriebenen Einschätzung des eigenen Wissens gibt es 3 Minuspunkte.
  • Nimmst du an, sind es 2 Plus-Punkte bei richtig und 2 Minuspunkte, wenn man daneben liegt.
  • Und gibst jemand vorher an: bin mir unsicher, erhält man bei einem Erfolg +1 der -1 bei falsch.

     

Auf diese Weise wägt man sein Antwortverhalten als Lerner genauer ab, statt einfach einen Button zu drücken. So kommt jeder zu einer realistischen Einschätzung dessen, was er/sie weiß und wird dem Lernprogramm aufmerksamer folgen, damit solche Diskrepanzen nicht passieren.

Dazu eine Randnotiz: 90% der (männlichen) Autofahrer (männlich) zählen sich zu den 5 der besten Autofahrer… Und wie ist es bei Ihnen? Fragen Sie mal in Ihrem Umfeld nach, wie sich jedeR einschätzt!

Nun zum meinem Interesse auf der Learntec: Mir ist wichtig, mit Produzenten von Lern-Software ins Gespräch zu kommen. Denn aus der Praxis und als Autor habe ich zig methodische Wege mit-entwickelt, um die Welt des digitalen mit dem realen Lernen zu verbinden.

Dabei gilt: „Be-Greifen“ ist eine motorische Aktivität, bei der Hand und Auge, Versuch und Irrtum eng verbunden sind. So lernt man Tennis-Spielen oder einen Reifen zu wechseln nur durch  Feedback nach jedem falschen oder richtigen Handgriff.

Genauso hat jedes Gespräch viele Windungen und Möglichkeiten zum Missverständnis. Beides – Kommunikation und technische wie administrative Tätigkeiten – lassen sich wunderbar vor- und nachbereiten durch virtuelle Lerneinheiten. Ja, selbst während der realen Auswführung bekommt man unmittelbar Feedback mittels der beobachtenden Kamera.

Eine verinnerlichte Lernerfahrung setzt jedoch den Gegenstand bzw. einen realen Gegenüber als Kunde oder Kollege voraus. Dessen Reaktionen können selbst von der besten KI nicht in allen Nuancen vorhergesagt werden. Und selbst wenn: Es würde uns Glaubem machen, dass alles steuer- oder manipulierbar wäre – um im echten Leben mitunter eines anderen belehrt zu werden!

 

Nach der Learntec ist vor Ihrem nächsten Projekt. Falls Sie planen, bestimmte Lernthemen zu digitalisieren – ich unterstütze Sie gerne im Zusammespiel mit weiteren Medienexperten. Wir begleiten Sie beim Definieren und Erstellen von Inhalten, Methoden und Formaten, die echtes Lernen fördern und dafür sorgen, dass jemand auch bei Stromausfall sicher agieren  kann.