5. Uganda – ein armes wie reiches Land

Eindrücke aus dem Alltag und Trips durch den Nord- und Westteil

Uganda ist reich an Wasser und Bodenschätzen. Jüngst wurden große Vorkommen an Gas und Öl entdeckt 

Nahezu überall ist es grün und fruchtbar. Die Landwirtschaft ist ergiebig: Mangos, Avocados, Maniok, Kartoffeln, Bohnen, Mais, Bananen, Reis, Kaffee, Zuckerrohr und vieles mehr lassen sich gut übers Jahr verteilt anbauen. 

Wer ein Stück Boden sein eigen nennt, kann sich selbst versorgen. Die klimatischen Bedingungen auf dieser landesweiten Hochfläche (im Durchschnitt 1100m über Meereshöhe) sind hervorragend, so dass man das ganze Jahr ernten kann.

Die Temperaturen bewegen sich zwischen angenehmen 20 und 35°. Es gibt also weder kalte Winter, die einen an den Ofen drängen noch extrem heiße Phasen, wo man weder Schatten noch Wasser findet.

Zugleich schreit uns die Armut an. Mütter mit Babies auf dem Rücken suchen nach Verwertbarem im Plastikmüll. Viele kleine Kinder gehen barfuß, die Älteren in Schlappen.

Die Kleidung zeigt, zu welcher Schicht man gehört. Einfach Leute besitzen oftmals nicht mehr als 1- 2 T-Shirts, die meist verdreckt sind und Löcher aufweisen

Bessergestellte tragen Poloshirts, feste Schuhe und eine auffällige Uhr. Dazu natürlich das Smartphone, über das hier die gesamte Kommunikation, der Geld- Transfer und das private Entertainment laufen.

Wer sich kein Auto (importiert aus Fernost) leisten kann, fährt mit Motor-Taxi, wenn der Weg zu weit für einen Fußmarsch sein sollte. Entlang der Straße tragen Kinder oft einen Korb mit Früchten auf dem Kopf. Andere ziehen ein Bündel Brennholz hinter sich her.

Jetzt ist offiziell Ferienzeit in den Schulen. Viele Kinder können diese generell nicht besuchen, weil der Weg zu weit ist oder weil Geld für den Schulbesuch fehlt.

Wo auch immer wir Halt machen, kommen sofort Kinder von zwei Jahren aufwärts in Scharen in unsere Nähe. Dies ohne zu betteln. Sie stehen ruhig da und freuen sich, wenn man einen lustigen Spruch macht und Kekse verteilt.

Und sobald wir in einem Dorf einen Stop machen, drängen sich zahlreiche Verkäufer/innen von Gemüse und Obst um unser Fahrzeug. Es wird angeboten und gefeilscht. „Meine Bananen sind besser.“ „Meine billiger“. Bei wem kauft man nun? Am besten indem man einer das doppelte des günstigen Preis bezahlt und sie auffordert, dies mit der anderen zu teilen. So haben wir alle drei Handelspartner was davon!

Bei wem soll man nun kaufen? Da die Preise für die Weißen in der Regel deutlich höher veranschlagt werden, habe ich mir folgendes Vorgehen angewöhnt: „How many tomatoes do I get for 3K?“ (3000 Ugandische Schilling, dies entspricht 0,85€)

Meist wird man sich dann mit einer der Händlerinnen einig, welche die anderen unterbietet.
Oder ich sage: „Bei unserem letzten Einkauf habe ich drei Tomaten (Advokados…) mehr für dasselbe Geld bekommen.“ Lachend werden wir uns dann meist schnell einig. Tausende sitzen so den ganzen vor ihren kleinen Verkaufsständen.

Hinter den Verkaufsständen sehen wir in kleine Häuser und Wellblech-Hütten hinein, die aus Ziegeln oder Lehm gefertigt sind. Auf dem Land sind Rundbauten mit Strohdach ohne Wasser oder Strom die übliche Behausung.

Dort schlafen meist zwischen 5 und 15 Geschwister aus den verschiedenen Beziehungen ihrer Eltern auf engem Raum. Sobald die Söhne 18-Jahte alt sind, müssen diese ausziehen, um keine interfamiliären Verwicklungen zu erzeugen. Meist bauen sie ihre neue Hütte nebenan, wenn sie woanders keinen Job finden.

Von Beginn an sind die Kinder dadurch an das Kollektiv und an das Prinzip von Unterordnung unter den Eltern gewöhnt.

Beim Essen dürfen die Kinder nicht sprechen. Eine partnerschaftliche Kommunikation, ist weitgehend unbekannt.

Weitere Eindrücke zum Thema „Armut und Reichtum in Uganda“

Nach dem Aufstehen arbeiten die Menschen zunächst für einige Stunden auf dem Feld oder rund ums Haus. Frühstücken ist hier nicht üblich. Auf unseren Kurz-Reisen müssen wir lange nach einem Restaurant suchen, in dem es Reis, Matoke (grüne Kochbananen) und Bohnen mit Tee gibt.

Maisbrei  ist die Speisung in den meisten Schulen. Dies täglich und selten mit einer Abwechslung. Für uns krass, hier normal. Mehr Geld könnte helfen. 

Ganz klar: Wir sehen nur die äußere Fassade des Alltagslebens, das sich überwiegend draußen abspielt. Wenn es regnet – und das tut es häufig – sitzt man gelassen in seiner kleinen Unterkunft. 

Durch unsere ugandischen Freunde bekommen wir viele Erklärungen geliefert und können dadurch einiges besser einschätzen

In allen freundlichen Gesprächen mit Servicepersonal, Verkäufern und Mit-Sportlern spüren wir die Erwartung, dass wir Geld und Chancen zur Verfügung stellen. So bei den Volleyballern vom Massaka Sports Club, denen wir einen Beitrag für den Ankauf von Flutlichtmasten geben, damit sie abends spielen können.

Eine der vielen Verwandten von George und Robina kommt regelmäßig zu ihnen,  um Geld für Medikamente gegen ihre  Lungenkrankheit zu erbitten.

Außerhalb der Familie ist Bewunderung für uns erkennbar, weil wir mit allen offen sprechen und zuhören. Spürbar darunter ist das Unverständnis darüber, warum wir das Privileg haben, hier herum zu reisen und uns Dinge kaufen zu können, wie es uns gefällt.

„Brother, come to my shop and send more visitors !“  In solchen Situationen fällt es schwer zu vermitteln, dass wir nicht von  jedem Verkäufer etwas  kaufen  können bzw. wollen. 

Durch unsere Beobachtungen und Gespräche wird deutlich: Uganda ist wie viele afrikanische Länder sehr traditionell orientiert. Die große, verzweigte Familie ist immer zu unterstützen. Der älteste Sohn ist verantwortlich dafür, dass alle zurecht kommen, wenn der Vater aus Krankheitsgründen ausfällt.

Sollte dieser sterben, ohne vorher sein Testament verfasst  zu haben, setzen sich die Schwestern zusammen, um zu beraten, wer künftig das Hab und Gut der Familie verwaltet und wie ist verteilt wird.

Eine weitere Auffälligkeit: Wer eine Geschäftsmöglichkeit sieht, will damit Business machen, also Geld verdienen. Die Tätigkeit ist dabei zweitrangig.

Eine Hebamme, die wenig verdient, überlegt, bald auszusteigen und ihr Einkommen mit Hühnern und Eiern zu sichern. Eine andere junge Frau, die nach ihrem Jurastudium vermutlich keinen Job findet, will sich dann beim Militär bewerben. 

In jeder Lebensgeschichte, die wir hören, kommt viel Not zum Vorschein. Wer krank ist, braucht Unterstützung aus dem Familiensystem.

So treffen wir Java, der uns bei unserer Bootstour auf dem Nil begleitet hat, zwei Tage später. Er berichtet, dass er mittlerweile an Malaria erkrankt ist und kein Geld für Medikamente hat. Ein kurzer Check mit James genügt, um zu wissen, dass die Geschichte stimmt. Deshalb kaufen wir in seinem Shop und er ist dankbar.

Wie kommt man in einem Land zu Geld, dass neben Tourismus keine Wirtschaftszweige hat, die über den lokalen  Handel hinausreichen?

Bei der Wander-Tour zu einem Wasserfall (Siti Falls) werden wir von zunächst5, dann 10, schließlich fast 20 Jugendlichen zu Fuß begleitet. Sie sind freundlich, fragen nach unserem Namen und erklären uns die verschiedenen Kaffeesorten und Pflanzen. Ferner bieten sie an, mit unserem Kameras Fotos von uns zu machen und nennen uns „ihre Freunde“.

Es fühlt sich an wie bei einer historischen Pilgerreise, wo sich dem Wanderprediger immer mehr Menschen anschließen. Dies in der Hoffnung, etwas Besseres zu finden, als das, was sie haben.

Deshalb geht es unseren lokalen Reise-Begleitern am Ende immer darum, möglichst viel Geld für diese kleinen Dienste zu bekommen. Wem es zu wenig ist, der bleibt ruhig stehen und hofft auf mehr.

Am Wasserfall möchten einige Leute, die dort leben, extra Geld von uns für den Besuch. Es entsteht ein Streit mit unseren ugandischen Freunden, welche dies ablehnen. Durch die gegenseitige Beschimpfung verschlechtert sich die Stimmung.

Ich hätte gern gesagt: “Ihr wollt mehr Touristen, dann verhaltet euch entsprechend..“ Dies wird von James gekontert. „Es interessiert die Menschen nur wenig, was übermorgen ist, wenn Geld benötigt wird, um die nächsten 2-3 Tage zurecht zu kommen.“

Im Auto sprechen James und seine Freunde darüber, dass jemand aus der Familie wöchentlich eine Dialysebehandlung braucht. Dies kostet jedesmal 100 $. In der letzten Woche war die Zahlung nicht möglich. Daher braucht man jetzt für die kommende Behandlung 200$.

Alle Familienmitglieder fangen an,  heftig zu lachen. Warum? „Nun“, so, James, „wenn wir nicht mehr wissen, wie wir etwas bezahlen sollen, dann können wir uns nur über das Lachen stabil halten“.

Gründe für diese Diskrepanz zwischen Arm & Reich

Im Fernsehen sehe ich – mit Verlaub – fette Politiker, die (auf Englisch) erklären, warum Veränderungen nicht gehen und dass alle Missstände auf externe Umständen zurückzuführen sind. Ein dicker Bauch gilt hier als Zeichen von Wohlstand.

Warum sollten sie sich auch  für die Armen einsetzen, außer um Wahlstimmen für die nächste Amtsperiode zu bekommen oder um das Volk zufrieden zu halten? „Good governance“ ist das, was diesem Land fehlt  – so George.Damit meint er weniger Steuern, die in private Taschen fließen, sowie bessere Infrastruktur und eine Bildung, die nicht durch Examen und Drill geprägt ist sondern vielmehr Kreativität und die Fähigkeit zur Problemlösung fördert.

Die meisten Menschen um uns herum sind unter 20 Jahre. So ist das Bevölkerungswachstum seit 1960 von 6,5 Millionen um ca. 600 % auf 45 Millionen gestiegen. Wie soll man all diese Menschen gut ausbilden, Arbeitsplätze schaffen und sie  dafür gewinnen, ihre Fortpflanzungsrate und ungewollte Schwangerschaften zu reduzieren?

Die wesentlichen Gründe für Armut sind schnell genannt. Inflation, Aids, Flüchtlinge aus den Nachbarstaaten, wie Kongo oder Ruanda,  der Ukraine-Krieg sowie die Agonie, die überall durch COVID entstanden ist. Mehr als 1,5 Jahre lag die Bildung brach. Alle Schulen bleiben geschlossen, die Universitäten haben auf Fernunterricht umgestellt.

Jetzt müssen viele Kinder wieder neu anfangen und sie haben eine wichtige Lernphase verpasst, die nur schwer aufzuholen ist.

Ein weiterer Grund ist hausgemacht: Männer können nach einer sexuellen Beziehung einfach davon ziehen ohne Unterhalt zu zahlen. Zahllose Mädchen wurden während der COVID-Zeit von männlichen Familien- Angehörigen geschwängert.

Diese haben es leicht, denn sie müssen offiziell keine Alimente zahlen. Die (minderjährigen) Frauen dagegen tragen die Babys aus und müssen schauen, wie sie im Alltag mit den vielen Kindern klarkommen. Männer aus der Nachbarschaft warten auf ihre sexuelle Gelegenheit…

Somit ist diese Männer-Kultur etwas, was dieses Land einerseits lebendig macht und uns im lockeren Gespräch bei Bier und Sport viel Spaß bereitet. Es hält die Gesellschaft zusammen und erschwert zugleich sozialen wie ökonomischen Fortschritt.

Gemäß einer Studie der organischen Gesundheitsbehörde sind etwa 14 Millionen Menschen, also jeder dritte Mensch in Uganda, mental in irgendeiner Weise krank. Davon ist quasi jede Familie betroffen. Professionelle Hilfe hingegen wird kaum angeboten.

Not fördert zudem Aggression. Gewalt ist eine häufige Todesursache. So sind 3 von 100 verstorbenen Menschen Opfer von Fremdeinwirkung oder von einer körperlichen Auseinandersetzung.

Um die Armut und damit verbundenen Folgen wie Depression, Alkoholismus und Gewalt wirklich zu erfassen, müsste man eine Zeit lang in solch einem Dorf oder Slum mitleben.

Wer sich jetzt als Europäer überlegen fühlt, sollte Zweierlei nicht vergessen. Auch in Deutschland gab es vor, im und nach dem Zweiten Weltkrieg große Not, Dies  in den Vierteln der Arbeiter und Tagelöhner vieler Städte genauso wie in ländlichen Regionen, wie es beispielsweise der Filmemacher Werner Herzog über seine Kindheit in den bayerischen Alpen beschreibt. 

Erst die Amerikaner und die Produktivität der Industrie haben „uns“ den allgemeinen Wohlstand ermöglicht.

Zum Zweiten sollten wir nicht vergessen, ja im Gegenteil wertschätzen, dass es in Europa die Frauen waren, die in den siebziger Jahren Rechte und Freiheiten für sich erstritten haben. Abtreibung war davor verboten, eine Frau durfte nicht ohne Einverständnis ihres Mannes eine Arbeit aufnehmen, die Gehälter sind nach wie vor ungleich.

Doch warum sollten hier arme Menschen anderen Armen helfen, wenn sie fast nichts abgeben können und Tag für Tag drauf angewiesen sind, Nahrung für sich und Ihre Angehörigen zu finden?

Wohlstand wird gezeigt von denen, die es können und die durch hohe Mauern und Wächter geschützt sind. Wir sind eingeladen auf eine Hochzeit mit über 1000 Gästen, denen es offensichtlich gut geht.

Wichtig ist den Veranstaltern, dass es Verpflegung für alle gibt, auch für die Dorfbewohner, die von allen Seiten dazu kommen und sichtbar arm sind. Mehrere Polizisten achten darauf, dass es nicht zu Diebstählen kommt.

Die Kirchen sind ein weiterer Schlüsselfaktor im ungleichen Spiel von Arm & Reich.

Einerseits kümmern sich die verschiedenen Glaubensgemeinschaften um die Armen, indem sie Schulen und soziale Einrichtungen finanzieren. bemerkenswert ist, dass jeder seinen eigenen Glauben nachgehen kann und  dass alle großen Religionen hier friedlich nebeneinander leben,

Zum anderen lehren die Priester nahezu durchgängig Ehrfurcht vor Gott im alttestamentarischen Sinn. Die Predigten sind eine rhetorisch-geschickte Aneinanderreihung von emotionalen Appellen dahingehend, was jede Person in der Familie und Gesellschaft tun sollte. 

Aud diese Weise zementierten Priester die althergebrachten Rollen von Mann und Frau in der Familie, wobei Letztere die schlechteren Karten haben. Zudem sammeln die Geistlichen bei jedem Kirchgang ordentliche Kollekten für die eigene Organisation…

Was wäre, wenn ich hier einen Tag entscheiden dürfte?

So die Frage von Jovia, der jüngsten Tochter unseres Gastgebers: Neben dem Verbot von Plastikmüll und dessen wilder Verbrennung geht es aus meiner Sicht kurzfristig darum, den Menschen eine Perspektive zu bieten. Etwa in dem man jeder Community die Möglichkeit gibt, bestimmte Produkte herzustellen, für die sie Kompetenz haben.

Diese Stärken gezielt weiter zu entwickeln und überregional zu vermarkten, würde jungen Menschen neben der Tätigkeit als Moto-Taxifahrer ein Alternative ermöglichen und Kreativität wie Durchhaltevermögen fördern.

So scheint alles gleich und ähnlich, was wir  in Geschäften oder auf der Straße angeboten bekommen. Überall sehen wir beispielsweise Bettgestelle, Särge oder Türen, die identisch aussehen.

Mittelfristig scheint mir – wie all meinen Gesprächspartnern – echter Fortschritt nur über eine breitere und demokratische Bildung sowie durch eine konsequenten Berufsvorbereitung in technischen Bereichen erreichbar. 

Dazu gehört der Zugang zu einer besseren Gesundheitsvorsorge und Arzneimitteln, die man hier in aller Regel selber zahlen muss.

Schließlich bedarf es der konsequenten Unterstützung der Frauen, um ungewollte Schwangerschaften zu verhindern und die Größe der Familien allmählich zu reduzieren.

Doch welcher Politiker setzt sich dafür ein? Das gegenwärtige System ist an Machterhalt interessiert. Wir haben viele reiche Häuser und Anwesen gesehen, die Mieten in Kampala übersteigen das monatliche Einkommen der meisten Menschen und entspricht etwa dem Niveau von New York.

Die Hoffnung ruht auf der jungen Generation, die durch Smartphones mehr von der Welt erfährt. Sicherlich bedarf es noch einiger Jahre, wenn ich nicht  Jahrzehnte, um sich allmählich aus den Fesseln der Familienbande und Unterordnung zu befreien, welche in ihrer Kultur nicht zuletzt durch die Kolonialzeit der Engländer geprägt hat

Fazit: Uganda hat großes Potenzial. Wem es gelingt, diese Energie zu bündeln, wird Uganda voran bringen. Es ist alles da, was hier zu nötig wäre. Nun schauen viele Menschen unter 30, sowie George und auf der  Präsidentschaftswahlen in  2026. Ihr Wunsch: dass der Oppositionsführer (derzeit in Hausarrest) erneut nach 2018  antritt – und gewinnt!