Mathias Richling – Parodist & Präsentator mit Esprit

Man kann Vieles über Mathias Richling sagen, nur nicht, dass er ein Comedian von gestern wäre! Mittlerweile wirkt der 67 jährige wie ein gereifter Schelm, der sich frei durch die Absurdität des Alltags, der Politik und Kultur bewegt, ja sprachlich auf hohem Level turnt. Für uns Menschen in der Weiterbildung ein Genuss, um nicht zu sagen „Muss“ zur eigenen sprachlichen Weiterbildung.

Mitte November 2021, Renitenz-Theater in Stuttgart. Sein aktuelles Programm läuft eine Woche – kurz bevor Corona-bedingt solche Veranstaltungen wieder abgesagt werden.

Die Bühne ist ganz auf seine figürliche Wandlungsfähigkeit ausgerichtet. Rechts und links stehen große Quarder, auf denen er die Portraits seiner Protagonisten sichtbar macht, allesamt gezeichnet im Stil von Albrecht Dürer.

Er startet mit der aktuellen Politik. Ob Baerbock, Laschet, Scholz oder Lindner, ob Merkel, Schäuble, Kretschmann, Seehofer, Trump oder Putin – alle kriegen ihr Fett weg. Dabei denunziert er diese Figuren nicht. Vielmehr leitet er aus einer ihrer Kernaussagen im Selbst- und Seitengespräch die verqueren Gedankengänge dieser Person ab.

So legt er den Widersinn, die Skrupellosigkeit oder Egozentrik der Mächtigen in fast sympathische Weise offen – gleich Mitschülern, die schon damals eigen bzw. eben einen Schritt weiter waren.

Doch Richling hat mehr drauf. Seine Darstellung eines katholischen Geistlichen lässt einen den Atem anhalten, als dieser  – verborgen unter seiner Kutte – den Missbrauch von Kindern als gute Tat gegenüber Gott zu rechtfertigen versucht.

Nahezu übergangslos spielt er Markus Zuckerberg als Einflüsterer mit ruhiger Geste. Dieser wundert sich, dass wir uns über den Verkauf unserer bei Facebook ins Netz gestellten Daten aufregen: „Ja, wer lässt schon seine Geldbörse auf einer belebten Straße fallen und hofft, dass er sie am nächsten Tag dort immer noch findet?“

 

mit dem Künstler in der Pause - https://www.mathias-richling.de/

Weiter geht es mit einer Parodie auf Boris Becker, der selbstverliebt wie borniert von seiner Bedeutung für Deutschland als Tennisprofi schwafelt. Mit Kraft in Stimme und Körper schlüpft er als nächstes in die Rolle von Andreas Gabalier und illustriert gestenreich dessen unverfrorenen Rechtspopulismus: Wie kann solch eine Haltung mittlerweile Mainstream sein?

Richling ist politisch nicht einzuordnen. Jedenfalls nicht auf der Bühne. So zieht er über die Grünen und Fridays for Future her: Als ob Naturkatastrophen jetzt durch Klimaschutz zu verhindern wären. Mag sein, doch über die politische Dimension bin ich mit ihm persönlich uneins.

Nur selten spielt Richling den nervösen Sprach-Akrobat von früher, der abgehakt nuschelt und permanent den Kurs wechselt. Er spricht sehr abgeklärt, etwa wenn er als TV-Moderator über das Leben von Leonardo Da Vinci in einem wissenschaftlichen Magazin referiert.

Kluger Wechsel der Ebenen, hintersinnige Argumentation, souveränes Timing, präzise im Auftritt. Man hängt an seinen Lippen. Etwas davon würde man sich Auftritten von Trainer/innen oder Redner/innen in der Öffentlichkeit  wünschen!

In gelöster Stimmung nimmt ihm das Publikum auch seine persönliche Sicht zum Gendern ab.

Witze über Beamte oder Blondinen: ja, warum denn nicht! Genauso über die AfD, über Männer und alles, was einem so in den Sinn kommt. Dies ist erlaubt, solange es den realen Unsinn sichtbar macht und nicht als persönliche Diskriminierung gemeint ist. Und dies nicht nur im Karneval, wie es AKK vor Jahren mit ihrem Toilettenwitz getan hat.

Darf eine grüne Politikerin nicht mehr sagen, dass sie als Kind Indianerhäuptling sein wollte? War nicht ein Indianer–Ehrenwort heilig und galt nicht eine Blutsbrüderschaft als Zeichen höchster Verbundenheit?

Oder die Feuerwehr ruft: „Alle Bewohner rauskommen, der Dachstuhl brennt!“ Fühlen sich die weiblichen Hausbewohner(innen) dadurch nicht angesprochen?

Mit solch paradoxen Geschichten rückt uns Richling den Kopf zurecht: Kümmert euch um die wichtigen Themen, lasst euch nicht von Pseudo-Diskussionen die Energie rauben.

 
 

Hut ab vor diesem modernen Sprachkünstler und Parodisten, der sich seit 30 Jahren auf der Bühne treu bleibt. Richling ist vermutlich mehr als ein guter Entertainer. Nämlich wahrscheinlich auch das, was vielfach durchscheint: Ein Moralist, wie er bei Kästner im Buch steht. Unterhaltung und Kritische Bildung im besten Sinne!